Ist A1-Bescheinigung ein Risiko?
Ist A1-Bescheinigung ein Risiko?

Ist A1-Bescheinigung ein Risiko?

 

Was für Gefahren stecken für Sie hinter dem Modell des Entsendens von Arbeitnehmern!

Die meisten Agenturen, die Krankenpfleger und Hauspersonal durch ihre Partner bereitstellen (wie entsendende Firmen aus Osteuropa) überzeugen Sie, dass dies ein vollständig gesetzliches und effektives Modell ist, ohne jegliche Gefahren für Sie. Sie überzeugen Sie, dass dies das beste Vorgehen im Vergleich zu Situationen, in denen Sie die Rolle des Arbeitgebers spielen würden, oder, wenn eine deutsche Gesellschaft diese Rolle spielen würde, anstatt des Einsatzes des Modells mit entsandten Arbeitnehmern sei.

Danach sagen sie Ihnen, dass das Unternehmen des Arbeitgebers aus Osteuropa für die Arbeitnehmer, die entsandt werden, einen A1 Schein einholen wird, d. h. ein Dokument, das besagt, dass die anwendbare Steuerjurisdiktion die des entsendenden Staates ist, und nicht Deutschlands. Sie sagen Ihnen, dass der A1 Schein einen zwingenden automatischen Anerkennungseffekt für die Institutionen des empfangenden Staates hat (z.B. Zoll in Deutschland) und versichern Ihnen, dass wenn Sie den A1 Schein beim Zoll vorlegen, dieser Sie in Ruhe lassen muss, da der Arbeitnehmer nicht der deutschen Steuerjurisdiktion unterliegt.

Ja. Rein theoretisch ist das wahr. Sogar praktisch war es bis jetzt so.

Ist das Entsendemodell gesetzlich und bringt es Ihnen keinerlei Risiken, wenn der entsendende Staat Polen oder ein anderer osteuropäischer Staat ist?

NEIN! Es GIBT durchaus Risiken für Sie beim A1-Entsendemodell. 

Warum ist das Entsendemodell manchmal falsch, obwohl die meisten Vermittlungsagenturen Sie vom Gegenteil überzeugen? Wir werden Ihnen das sehr genau anhand diesbezüglicher Rechtsargumente erklären. Vermittlungsagenturen, die Sie von der Richtigkeit des Entsendemodells von Krankenpflegern und Hausgehilfen überzeugen, geben Ihnen nur allgemeine Informationen, die aus dem Gesamtkontext der Verordnungen der Europäischen Union, die die Entsendung regeln, herausgenommen sind. Es werden auch keine Veränderungen der Europäischen Gesetzgebung in Betracht gezogen, die kürzlich passiert sind.

 

Pflegedienst

Die Grundregel bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts ist, dass die Personen dem Recht des Mitgliedstaates unterworfen sind, wo sie ihre Arbeit leisten („lex loci laboris“). Personen, die als unselbständige oder selbständige Erwerbstätige in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind, sind den Recht dieses Mitgliedstaates unterworfen (gemäß Art. 11(3)(a) der Verordnung 883/2004).

In diesem Fall wird Ihr Krankenpfleger seine Arbeitspflichten in Ihrem Zuhause in Deutschland erfüllen. Das heißt, dass deutsches Recht rechtsrelevant ist und dass der Krankenpfleger deutscher Steuerjurisdiktion unterliegt.

Die einzige Möglichkeit, dass das Recht des entsendenden Staates aufgrund des A1 Scheins angewendet werden kann, ist, dass man eine Ausnahme von der Grundregel macht. Eine solche Ausnahme ist im TITEL II, Art. 12 – „Sonderregeln“ vorgesehen: 1. Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst.

Gerade diese Ausnahme wird von den Vermittlungsagenturen ausgenutzt, um das Entsendemodell zu rechtfertigen. DAMIT ABER diese Ausnahme von der Grundregel angewendet werden kann, gibt es eine Reihe von zwingenden Anforderungen, deren Erfüllung die absolute Bedingung für die Aufrechterhaltung des anwendbaren Rechts des entsendenden Mitgliedstaates gegenüber den Beschäftigten ist, die vorläufig Arbeit auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates leisten.

Eine der entscheidenden Bedingungen für die Anwendung des Art. 12(1) der Verordnung Nr. 883/2004 ist, dass der entsendende Arbeitgeber seine Tätigkeit gewöhnlich auf dem Hoheitsgebiet des entsendenden Mitgliedstaates ausübt.

Gemäß Art. 14(2) Verordnung Nr. 987/2009 beziehen sich bei der Anwendung von Art. 12(1) der Grundverordnung die Worte „der gewöhnlich dort tätig ist“ auf einen Arbeitgeber, der gewöhnlich andere nennenswerte Tätigkeiten auf dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, ausübt, unter Berücksichtigung aller Kriterien, die die Tätigkeit des betreffenden Unternehmens kennzeichnen.

Die Ausübung eines Teils der Tätigkeit auf dem Hoheitsgebiet des entsendenden Mitgliedstaates bedeutet nicht immer, dass das Unternehmen gewöhnlich seine Tätigkeit auf dem Hoheitsgebiet dieses Staates ausübtDamit diese Anforderung erfüllt ist, soll das entsendende Unternehmen einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit gewöhnlich auf dem Hoheitsgebiet dieses Staates ausüben.

Gemäß Art. 14(2) der Verordnung Nr. 987/2009 müssen die maßgebenden Kriterien auf die Besonderheiten eines jeden Arbeitgebers und die Eigenart der ausgeübten Tätigkeiten abgestimmt sein.

Die Kommission für soziale Koordinierungen zur EU hat ein Handbuch ausgestellt, das die relevanten Kriterien vorgibt, damit ein Arbeitgeber „gewöhnlich nennenswerte“ Tätigkeiten in seinem Staat ausübt. Wir werden nicht auf alle Kriterien eingehen, aber wir werden zwei davon erläutern: Bei der Überprüfung des Antrags auf Ausstellung eines A1 Scheins berücksichtigen die zuständigen Behörden den Umsatz und das Personal der entsendenden Firma, die Ihnen einen Krankenpfleger bereitstellen muss. Im Handbuch wird angegeben, dass 25 % des Gesamtumsatzes der Firma für die letzten 12 Monate aus Lieferungen auf dem Hoheitsgebiet des entsendenden Staates kommen müssen. Die Situation mit dem Personal ist ähnlich: 25 % des Personals der Firma müssen in den letzten 12 Monaten in ihrem eigenen Land gearbeitet haben, und zwar ohne das Verwaltungspersonal mit einzubeziehen. In manchen osteuropäischen Staaten können diese Anforderungen auf Ortsebene sogar höher sein. Oder anders gesagt, muss eine Firma aus Osteuropa, die Ihnen ihr Personal entsendet, in Wirklichkeit sehr viel Arbeit und angestelltes Personal in ihrem Land haben. Nur dann kann sie den A1 Schein haben.

Brauchen sie Seniorenbetreuung

Nun wundern Sie sich wahrscheinlich, warum Sie das Alles interessieren sollte, wenn Ihr Krankenpfleger den A1 Schein hat – bedeutet das nicht, dass die entsendende Firma durch all diese Verfahren erfolgreich durchgegangen ist und dass sie die Umsatz- und  Personalanforderungen auf Ortsebene erfüllt hat?

Leider interessiert Sie all das sehr wohl. Wir haben das Wort „in Wirklichkeit“ nicht umsonst unterstrichen, als wir über den Charakter der Tätigkeit der entsendenden Firma im entsendenden Staat gesprochen haben. Das kann paradox klingen, da Sie nicht wissen können, was für Tätigkeiten die entsendende Firma in ihrem eigenen Staat hat, aber wenn der A1 Schein durch Manipulation der tatsächlichen Situation der entsendenden Firma erworben ist, könnte das Folgen für Sie haben. Eigentlich entsprechen die meisten entsendenden Firmen den Bedingungen für die Ausstellung des A1 Scheins  nur auf dem Papier.

Wir können folgendes Beispiel geben: In manchen ärmeren osteuropäischen Staaten sind die Einkommen und die Preise der Dienstleistungen mehr als 10-mal niedriger als in Deutschland. So z.B. kostet die Krankenpflege eines alten Menschen in Familienumgebung durch einen personalen Krankenpfleger ca. 400 Euro/Monat. In Deutschland liegt der Preis oft über 2.000 Euro/Monat. Machen Sie selbst die Rechnung, wie viele Kunden je 400 Euro/Monat die Firma haben muss, um zu kompensieren, und wie viel real arbeitendes Personal in ihrem Land sie haben muss, um Arbeitnehmer nach Deutschland zu entsenden. Es ist ganz klar, dass der Markt in Deutschland viel größer und zahlungsfähiger ist, im Vergleich zu den osteuropäischen Staaten. Selbstverständlich gibt es auch Firmen, die die Kriterien wirklich abdecken – falls sie z.B. ein Hospiz mit Menschen, die versorgt werden, betreiben, können sie einen Arbeitnehmer nach Deutschland mit einem A1 Schein entsenden, der ohne Manipulation der tatsächlichen Situation ausgestellt worden ist. Die große Frage hier ist, dass die Vermittlungsagenturen in Deutschland mit „gewerblich“ entsendenden Firmen zusammenarbeiten, die eigentlich entweder keine oder nur eine nicht nennenswerte Tätigkeit in ihren eigenen Staaten ausüben. Ihr Professionalismus bedeutet oft gute Buchhalter, die Umsätze „auf dem Papier“ zeigen und auch nichtarbeitendes Personal auf Gehaltslisten führen müssen, das oft permanent in unbezahltem Urlaub ist (es gibt zwar ein Arbeitsverhältnis, aber keine tatsächlich ausgeführten Aufträge im eigenen Land).

Aber gehen wir zurück zur Aussage, dass Sie auch mit möglichen Folgen rechnen sollten: s. dazu EuG-Urteil C-359/16 vom 09.02.2018. Dazu besuchen Sie die EuG-Webseite: https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/, wo man unter der Schlussfolgerung liest:

“Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 14 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 631/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004, und Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung sind dahin auszulegen, dass, wenn der Träger des Mitgliedstaats, in den die Arbeitnehmer entsandt wurden, den Träger, der die Bescheinigungen E 101 ausgestellt hat, mit einem Antrag auf erneute Prüfung und Widerruf dieser Bescheinigungen im Licht von im Rahmen einer gerichtlichen Prüfung gesammelten Beweisen befasst, die die Feststellung erlaubt haben, dass die Bescheinigungen betrügerisch erlangt oder geltend gemacht wurden, und der ausstellende Träger es unterlassen hat, diese Beweise zu berücksichtigen, um erneut zu prüfen, ob die Ausstellung der Bescheinigungen zu Recht erfolgt ist, das nationale Gericht in einem Verfahren gegen Personen, die verdächtigt werden, entsandte Arbeitnehmer unter Verwendung derartiger Bescheinigungen eingesetzt zu haben, diese Bescheinigungen außer Acht lassen kann, wenn es auf der Grundlage der genannten Beweise und unter Beachtung der vom Recht auf ein faires Verfahren umfassten Garantien, die diesen Personen zu gewähren sind, feststellt, dass ein solcher Betrug vorliegt. ”

Zusammenfassend ist die erste Schlussfolgerung im Gerichtsurteil C-359/16, dass ein Inlandsgericht unter gegebenen Umständen die A1 Scheine Ihres entsandten Krankenpflegers für ungültig erklären kann, unabhängig davon, dass sie durch die zuständige Behörde des entsendenden Staates ordnungsmäßig ausgestellt und bestätigt worden sind. Zweitens muss ein Inlandsgericht entscheiden, ob die Personen, die verdächtigt sind, dass sie entsandte Arbeitnehmer mit A1 Scheinen, die betrügerisch erworben sind (falsche tatsächliche Situation der entsendenden Firma), ausgenutzt haben, dafür strafrechtliche Haftung tragen können. Dokument – Analyse des Gerichtsurteils

Dieses Urteil ist grundsätzlich etwa schockierend, nicht nur weil der verbindliche Effekt der A1 Scheine für den empfangenden Staat kompromittiert ist, sondern auch weil Personen, die nur verdächtigt sind, Probleme bekommen könnten; außerdem wird nicht angegeben, in welcher Eigenschaft diese Personen tätig sein müssen – aber, ersichtlich aus dem Fall, worin das Urteil C-359 gefällt worden ist, sind die belgischen Eigentümer und die Angestellten der belgischen Baufirma Angeklagte, die keinesfalls wissen kann, welche die reelle tatsächliche Situation der Subunternehmer aus Osteuropa ist. Obwohl der Fall aus dem Baubereich ist, ist er generell auf alle entsandten Arbeitnehmer mit dem A1 Schein anwendbar.

Sie können nur selbst entscheiden, ob Sie sich in die Situation der belgischen Firma aus C-359 versetzen wollen. Aber wir meinen, dass, wenn die Eigenschaft der Personen im Urteil nicht angegeben wird, absolut jeder für eine Person erklärt werden könnte, die entsandte Arbeitnehmer mit dem A1 Schein, der betrügerisch erworben ist, ausgenutzt hat – einschließlich der deutschen Vermittlungsagenturen, die Sie nachdrücklich davon überzeugten, dass das Entsendemodell sicher sei. Das Urteil C-359/16 vom 09.02.2018 wird nunmehr Auswirkungen entfalten. Es ist zu neu und deswegen wird die Trägheit des Modells mindestens noch einige Zeit dauern.

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Außerdem ist es wichtig zu vermerken, dass gemäß den Entsendungsregeln die Personen, die Ihnen zur Verfügung stehen werden, eigentlich keine direkten Weisungen von Ihnen bekommen dürfen, sondern nur von ihrem Arbeitgeber in ihrem eigenen Land. Es ist interessant, wie das vor sich geht, wenn viele deutsche Vermittlungsagenturen sogar den direkten Kontakt der entsendenden Firmen zu den Kunden in Deutschland verbieten. Oft steht im Vertrag zwischen der deutschen Agentur und der entsendenden Firma, dass nur die deutsche Vermittlungsagentur für den Kontakt zu den Kunden in Deutschland zuständig ist. Aber auch wenn es kein solches Verbot gäbe, mögen Sie sich einfach vorstellen, wie unpassend es sein würde, wenn Ihre Krankenpflegerin Einkaufsanweisungen in Ihrem eigenen Haushalt von ihrem eigenen Land bekommen müsste. In der Regel wird diese Frage mit einer Bestimmung im Dienstleistungsvertrag erledigt, in der Ihnen verboten wird, direkte Anweisungen zu geben, aber Sie können trotzdem Vorschläge machen, wie etwas getan werden sollte. Wir haben dieses Beispiel als weiteren Nachweis gegeben, dafür, dass das Modell mit der A1-Entsendung manchmal nicht genau ist und vielmehr das Gesetz umgeht.

Welches ist in Wirklichkeit das richtige Prozedere, damit das Risiko des Modells der A1-Entsendung FÜR SIE eliminiert wird: 

Wir glauben, dass die beste Variante, nämlich einen Krankenpfleger in eigener Familienumgebung zu haben, ist, dass Ihr Krankenpfleger der deutschen Steuerjurisdiktion unterliegt (das nämlich entspricht dem Grundprinzip in der Verordnung (EWG) 883/2004; 987/2009 und 1408/71, ohne die Notwendigkeit der Anwendung einer Ausnahme, die die oben beschriebenen Gefahren mit sich bringt).

Es gibt drei Untervarianten: 1. Ihre Krankenpfleger sollen Angestellte einer deutschen Gesellschaft sein; 2. Ihre Krankenpfleger sollen selbstständige Erwerbstätige sein; 3. Sie selber sollen als Arbeitgeber Ihrer Krankenpfleger auftreten.

Für weitere Informationen über die Vorteile und Nachteile jeder Variante, bitte hier klicken.

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